Secrets

Sonntag, 9. September 2007

Rette mich Roppongi ...

Es gibt Dinge - da weiß man sofort, dass sie nur das sind, um von etwas anderem zu erzählen. Die sieht man und spürt diese besondere Aura, die sie umgibt. Es ist immer ein Flimmern um sie, als hielte sie jemand zittrig herein in unsere Wirklichkeit. Es kommt immer von drüben - wie das Blatt, das der Herbstwind vor mir tanzen ließ, kein Blatt war, sondern die Hand eines Freundes, der schon lange gegangen ist. Wie der Reiher, der nicht irgendwie landet, sondern "aufsetzt" wie eine gelungene Metapher.

Josef Winkler schreibt in "Roppongi. Requiem für seinen Vater": "Als wir von seinem Ableben erfuhren, stand ich in der österreichischen Botschaft in Tokio vor einer wandgroßen Glasscheibe. Ich schaute hinaus auf einen Teich mit orangefarbenen Wakinfischen, als ein Reiher mit weit auseinandergebreiteten Flügeln am Rande des Teiches aufsetzte. Der tote Vater hat sich also, dachte ich in diesem Augenblick der Trauer und des Glücks, in der Gestalt eines weißen Reihers noch einmal bei mir blicken lassen ... sein Fluch war in Erfüllung gegangen; wir reisten nicht zurück, sondern blieben in Roppongi."

lost-in-transation

Eine Ferne, die nah ist, eine Nähe die fern weilt. Das passende Bild aus Tokio kommt aus dem Wunderwerk "Lost in Translation", in dem sich Scarlett Johansson und Bill Murray in einem Sushi-Restaurant gegenübersitzen, so weit beeinander und so nah voneinander entfernt; in einem geteilten Blick, der abgrundtief und romantisch zugleich über dem Tisch vibrierend verweilt und doch nie zur Ruhe kommt. Ich gebe diesem Film einen neuen Namen und nenne ihn für mich die "ZEN MOMENTE DER LIEBE".

Sehen Sie den Reiher, wie er "aufsetzt"?

Mittwoch, 22. August 2007

Es gibt so wenig Neues von den Toten zu sagen ...

Gisela Hinsberger schreibt in der Presse über die Beziehung zu ihrem behinderten Kind. Selten war ich so aufgewühlt nach einer Zeitungslektüre und so sprachlos: es gibt so wenig Neues über die Toten zu sagen.

Der Anfang?

Ich erkenne dich sofort. Du liegst auf dem Bauch, dein Rücken ist mit Gaze abgedeckt. Du bist klein, kräftig und kahl, deine Wangen sind rund, und dein Kopf sieht verbeult aus. In deiner Nase steckte eine Sonde, bunte Kabel enden an deinem Körper. Du wimmerst leise, deine Augen sind zu. Vorsichtig strecke ich einen Finger in das Glashäuschen und berühre deine Wange. „Hallo du“, sage ich, und ich weiß, meine Liebe wird reichen.

Das Ende?

Ein Meter Kindergrab, deine Kleider, deine Bücher – grausam mager, was die Welt mir an Heimat noch bietet. Unter erbarmungslos blauen Himmeln stehe ich an Gräbern und lerne die Toten kennen. Bald kenne ich andere tote Kinder, manche leben in meiner Vorstellung, ich sehe sie mit roten Schubkarren unter dem Weihnachtsbaum stehen. Liebe ist stärker als der
Tod, sagen die Leute, geschäftig die Gießkannen schwenkend. Ich weiche ihrem Blick aus, denn der Tod ist gewaltig.

Die Zukunft wird zu einer Last aus Zeit, und ich packe die Vergangenheit und klammere mich fest. Doch Erinnerung ist Abglanz, und dein ewig starres Lächeln kommt mir bald wie eine Fratze vor. Verbissen kämpfe ich gegen das Vergessen, jeden Happen Erinnerung will ich ihm entreißen. Ich forsche, frage, suche, wühle, sammle, laufe, schreibe – bis ich es endlich aufgeben kann.

Im Herbst natürlich, im Sommer hätte ich nie aufgeben können, aber an einem Oktoberabend, als die letzten Sonnenstrahlen dein Grab abtasten, setze ich mich auf die Bank und hebe die Arme. Geh, ich kanndich nicht halten, schon sehe ich dich nicht mehr lächeln, schon ist mir entfallen, wie dünn deine Arme sich angefühlt haben. Die Erinnerung wird weiter verschwimmen, es wird kaum noch jemand deinen Namen aussprechen, es werden keine Leute mehr zu deinem Grab gehen, du wirst deinen Platz in der Welt verlieren, es gibt so wenig Neues über die Toten zu sagen. Tauben flattern über mich hinweg, die Gänseblümchen auf deinem Grab hätten dir gefallen, und die Katze, die sich auf ihnenputzt, hätte dich sofort zum Lachen gebracht. Sie zerdrückt die Blumen und wälzt alles platt, aber ich sehe ihr zu und rühre mich nicht.

Die Gewissheit, dass etwas bleibt, muss schon länger da sein, ich habe nicht gespürt,wie sie gewachsen ist, doch plötzlich weiß ich, dass ich dich finden werde, manchmal, wenn ich hinabsteige und die Tür zu jener ortlosen Kammer aufstoße. In ihrer schattigen Stille werde ich zu Hause sein, aber auch unter der Esche und am See im Spätsommerlicht. ■

Sonntag, 20. Mai 2007

Unterwegs ....

Ich habs geschafft! Bin einfach stehengeblieben - nach mehr als 3 Stunden mit dem Mountainbike - und habe mich fallen lassen, mitten in eine Wiese. Hab die Augen zugemacht, ausgelaugt wie ich war. Hab die Zeit Zeit sein lassen und mich zugedeckt mit ihr. Und die Sonne auf meiner Haut gespürt. Nicht für 5 Minuten. Nicht für 10 Minuten, sondern ohne Rahmen. Und plötzlich hab ich gespürt, dass unterwegs sein vor allem bedeutet, inne zu halten und zu verweilen. Und plötzlich wusste ich nicht mehr, was passieren muss, um weiter zu strampeln, und dann schlief ich ein und blieb wach dabei wie selten zuvor.

Ohne Rhyhtmus geht gar nichts. Und der Rhythmus kommt von innen. Ich halte an und gehe weiter und halte an. Ich breche auf und kehre heim und breche auf. Weg gehen ist anders als gehen oder auf dem Weg sein oder unterwegs sein. Es ist die Richtung, die uns terrorisiert. Gehen wie ein Flaneur, der nie weiß, für welchen Weg er sich bei der nächsten Kreuzung entscheidet. Der Flaneur geht, um sich zu verlieren.

Ein weißer Forscher in Afrika, der es eilig hatte voranzukommen, bezahlte seine Träger für eine Anzahl von Gewaltmärschen. Aber sie, fast an ihrem Ziel angekommen, stellten die Bündel ab und weigerten sich weiterzugehen. Keine noch so hohe zusätzliche Geldsumme konnte sie umstimmen. Sie erklärten, sie müssten erst warten, bis ihre Seelen sie eingeholt hätten. (aus den Traumpfaden von Bruce Chatwin)

Wie lange müssten wir wohl warten? Jahre?

Donnerstag, 17. Mai 2007

Songlines ...

Der große Martin Buber schreibt:
Die Tradition der Pyramide steht der Tradition des Lagerfeuers gegenüber.

Ich stehe auf und gehe meinen Schlafsack suchen.

Mittwoch, 16. Mai 2007

Die Abstammung des Menschen ...

Lese in den Traumpfaden von Bruce Chatwin:

In seinem Buch Die Abstammung des Menschen berichtet Darwin, dass bei einigen Vögeln der Wandertrieb stärker sei als der mütterliche Instinkt. Eine Mutter lässt eher ihre Jungen im Nest zurück, als dass sie ihre Verabredung für die lange Reise nach Süden verpasst.

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Männer die Wanderer und Frauen die Hüterinnen von Heim und Herd seien. Das kann natürlich so sein. Aber Frauen sind vor allem die Hüterinnen der Kontinuität: wenn der Herd sich in Bewegung setzt, setzen auch sie sich in Bewegung.

Dienstag, 1. Mai 2007

Mein Kerker ...

Ich hatte einen Traum gestern nacht, den ich niemanden erzählen werde. Nicht hier, nicht heute, nicht morgen, nicht dort. Das ist die dunkle Seite, die nicht kommunikative. Wo Sprache nichts hilft und keine Nähe. Und auch kein Therapeut, der mich professional erschließt und mich anschließt an seine Rezepturen, der mich aufschließt, der mich beleuchtet. Da bleibe ich lieber dunkel, opak und stelle mein eigenes Licht unter den Scheffel. Mein Ich bleibt mein Kerker. Aber zumindest ein Ort, der nur mir gehört. Gegen den kommunikativen Exzess, gegen das unaufhörliche Gerede, das alle Bedeutungen mit sich reißt, setze ich mein stummes Verließ.

Montag, 26. Februar 2007

Am Schreiben Gehen...

Ein Mann schreibt seiner Frau einen Brief.

Obwohl er sie täglich sieht, obwohl er tagein, tagaus die Möglichkeit hat, mit ihr zu sprechen, setzt er sich eines Abends an seinen Schreibtisch und beginnt einen Brief an sie.

Ohne etwas Bestimmtes mitteilen zu wollen. Schon der Gedanke, sein Wort an sie als eine Abwesende zu richten, macht ihn ganz aufgeregt.

Vielleicht weil er auch sich in diesem Moment als abwesend denkt und allein der Gedanke an die Möglichkeit, nicht da zu sein, seine Gefühle in einer nicht erwarteten Art und Weise intensiviert, das Feuer, das in ihm mitunter nur mehr ziellos flackerte, aufs Neue zum Auflodern bringt.

Dabei sieht er sie morgens nichtsahnend zum Postkasten gehen, ihn öffnen und dann diesen Brief in der Hand halten, mit seinem Namen als Absender, der ihr Herz schneller schlagen lässt – aus Angst. Was mag passiert sein? Wer schreibt schon einen Brief nach 30 Jahren? Und dann – zunächst zögerlich, doch schon gleich mit heißem, pochenden Blut über die Zeilen fliegt, die ein Mann ihr geschrieben hat, ihr Mann, von dem sie vergessen hat, das er einst ihr Liebhaber war.

Vielleicht ist das der einzige Grund, um mit dem Schreiben zu beginnen: der therapeutische. Alles weitere wird sich zeigen, denkt er. Vielleicht kann er mit dem Schreiben das abfangen, was er den Verfall nennt, das Ausfransen seiner Persönlichkeit, und vielleicht kann er auch gerade durch das Schreiben zu einem besseren Menschen werden, weil er nicht alles leben muss, sondern nur einen Teil davon, und im anderen Teil als Schrift über die Zeilen jagt – mal sehen, was kommt.

Er bräuchte dann nicht mehr warten, dass ihm jemand, das heißt natürlich seine Nächste, sein Weib, Gehör schenkt, er müsste nicht mehr um Verständnis betteln und sein Selbstbild daran heften, weil er das, was nicht gehört oder überhört werden will, einfach niederschreibt in ein Heft, in dieses – nur um es am Ende vielleicht zu verbrennen oder viel wahrscheinlicher in einer Ecke des Zimmers zu vergessen.

Weil er kein Tagebuch schreiben wollte, dachte er immer, dass er etwas erfinden müsste, obwohl er wusste, dass gerade die fehlende Imagination seine große Schwäche war. Doch sobald er dieses Fremdwort ins Deutsche und damit – als Einbildungskraft - auf den Boden geholt hatte, war es etwas, von dem er genug in sich verspürte. Deshalb auch seine Isolierung. Seine Einbildungskraft war der Grund dafür, dass er seine Welt nicht verlassen und nicht herausfinden konnte aus seinen Projektionen, die ihm mitunter das Leben zur Hölle machten. Wie sehr er doch angewiesen war, eine Projektionsfläche zu erzeugen, eine linierte in Gestalt der Schrift. Wo Therapie und Einbildungskraft zusammenfielen, konnte er sich als Gefäß begreifen, das ausgeschüttet werden will, um nicht allmählich ihrer Farbe und ihres Inhalts verlustig zu werden und am Ende nicht einmal mehr ihn selbst zu interessieren.

Vielleicht brachte ihn der Prozess des Schreibens ja auch dazu, ein besserer Mensch, ein besserer Ehemann zu werden, der seine Gerechtigkeit nicht immer im Leben suchen muss, wie ein halbwüchsiger Kohlhaas anrennt gegen das Unrecht der Welt. Und vielleicht besäße er dann auch irgendwann die Freiheit und Ruhe, seiner Frau und anderen Menschen ins Gesicht, in die Seele zu blicken und zu sehen, was sie wirklich bewegt. Und er hoffte insgeheim, dass er dann auch imstande wäre, ihr jenen Raum zu geben und jene Nähe, die sie brauchte und deren Mischungsverhältnis sie jeden Tag aufs Neue bestimmte, und dass er dann endlich fähig wäre, über diesen Grat mit einer Leichtigkeit zu tanzen, die voll von Grazie ist und von wahrem Gefühl, weil es da einen anderen Raum gäbe, der ihn auffangen konnte, den Raum der Zeichen und der Bedeutungen, von dem er solange glaubte, ohne ihn auszukommen.

Er würde dann nicht mehr Schuldigkeiten suchen, wie einer, dem es an Orientierung mangelt, und endlich würde er wieder neugierig sein, auf das, was kommt, auf ihn zukommt, wie eine große Herausforderung, die Leben heißt. Und er dachte an alle die Dinge, die sein Herz schneller schlagen ließen.

Samstag, 24. Februar 2007

Mein Herz so weiss ...

An jenem Abend, während ich die Welt von meinem Kissen aus sah mit Luisa an meiner Seite ... erzählte ich Luisa, was Custardoy der Jüngere mir erzählt hatte und ich mir nicht hatte erzählen lassen wollen. ... die Ehe ist eine Institution, die dem Erzählen dient ... aus Liebe oder aus dem heraus, was ihr Wesen ausmacht ... werden die anderen verraten, die Freunde, die Eltern, die Geschwister, die Blutsverwandten, die früheren Lieben und die Überzeugungen, die früheren Geliebten, die eigene Vergangenheit und die eigene Kindheit, die eigene Sprache, die man zu sprechen aufhört, und zweifellos das eigene Vaterland, das, was an Geheimnis in jedem Menschen ist ...

... ich will es nicht wissen, wenn du eines Tages die Absicht hast, mich umzubringen, sagte ich im Dunkeln zu Luisa ...


aus Javier Marias: Mein Herz so weiß

Mittwoch, 21. Februar 2007

9 crimes / Damien Rice ...

Montag, 18. Dezember 2006

Parabel des Zen

Einer meiner wichtigen Lektüren ist wieder aufgetaucht - aus Freundeshand. Ich lass die Blätter durch meine Finger gleiten, lese hier einen Satz und da einen Satz. Und während ich das tue, merke ich, dass ich etwas ganz bestimmtes suche - ganz ohne Fulltext-Search wirds wohl eine Weile dauern. Ich versuche, diese Zeit zu genießen und setze an diese Stelle eine

Parabel des Zen
Denen, die von Zen nichts wissen, heißt es, sind Berge
nur eben Berge, Bäume nur eben Bäume und Menschen
nur eben Menschen. Nachdem man Zen halbwegs
verstanden hat, wird die Nichtigkeit aller Formen wahrgenommen,
und die Berge sind nicht länger Berge, Bäume nicht länger
Bäume und Menschen nicht länger Menschen.
Indessen dem, der ein volles Verständnis für Zen gewonnen hat,
sind Berge wiederum nichts als Berge, Bäume wiederum nichts
als Bäume und Menschen wiederum nichts als Menschen.

Siniweler - Ohne Tal

Kein Ort zum Verweilen, nirgends. Wohin uns die Reise führt? Geradewegs lotrecht zu allem, was das Herz schneller schlagen lässt.

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