Die schönsten Tage der Kindheit ...
oder die Sehnsucht danach, wenn man alt wird ... wunderbar eingefangen von:
Philip Roth, Everyman, 2006, s.122 - (dt. Jedermann, Hanser)
"nach der schlanken Gerte, die damals sein Körper war und die sich von weit draußen, wo die Wogen sich aufbauten, auf den Wellen zum Strand tragen ließ, die Arme vorgestreckt wie eine Pfeilspitze und der dünne Rest dahinter wie der Schaft, und so glitt er dahin, bis sein Brustkorb über die winzigen spitzen Kiesel und die schartigen Venusmuscheln und die pulverisierten Seemuscheln am Uferstreifen schrammte und er aufsprang und gleich wieder zurück in die flache Brandung rannte, bis das Wasser ihm an die Knie reichte und tief genug war, dass er sich wieder hineinstürzen und wie wild den aufsteigenden Brechern entgegenschwimmen konnte - in den herandrängenden grünen Atlantik hinein, der so unaufhaltsam auf ihn zuwogte wie die unabweisbare Zukunft - und wenn er Glück hatte, kam er rechtzeitig an, um die nächste und die nächste und die nächste, bis der niedrige Stand der auf dem Wasser glitzernden Sonne ihm sagte, dass es Zeit zum Gehen war. Nass und salzig, lief er barfuß nach Hause, in Gedanken noch erfüllt von der Gewalt der unendlichen See, die in seinen eigenen Ohren gebraust hatte, und leckte an seinem Unterarm, um die vom Ozean erfrischte und von der Sonne verbrannte Haut zu schmecken. Das ekstatische Gefühl, einen ganzen Tag lang bis zur Betäubung von der See umhergeschleudert worden zu sein, der Geschmack und der Geruch, das alles berauschte ihn so sehr, dass nicht viel gefehlt hätte, und er hätte zugebissen, um ein Stück aus sich herauszureißen und seine fleischliche Existenz ganz und gar auszukosten.
So schnell er auf den Fersen laufen konnte, überquerte er die von der Sonne noch glühenden betonierten Gehsteige und ging, bei ihrer Pension angekommen, nach hinten zu der im Freien aufgestellten Dusche mit den glitschigen Sperrholzwänden, wo feuchter Sand aus seiner Badehose fiel, wenn er sie auszog und unter das kalte Wasser hielt, das ihm auf den Kopf prasselte. Die Macht der Brandung, das sengendheiße Pflaster, der eisige Schock der kalten Dusche, die Wonne der straffen neuen Muskeln, der schlanken Gliedmaßen und der stark gebräunten Haut, die nur die an seinem Unterleib versteckte blasse Narbe von der Leistenbruchoperation aufwies - in diesen Augusttagen, nachdem die deutschen U-Boote zerstört waren und man keine Angst mehr haben musste vor ertrunkenen Matrosen, gab es nichts, was nicht wundervoll klar war. Und nichts an seiner körperlichen Vollkommenheit, das ihm Anlass gab, es nicht als selbstverständlich zu betrachten."
Philip Roth, Everyman, 2006, s.122 - (dt. Jedermann, Hanser)
"nach der schlanken Gerte, die damals sein Körper war und die sich von weit draußen, wo die Wogen sich aufbauten, auf den Wellen zum Strand tragen ließ, die Arme vorgestreckt wie eine Pfeilspitze und der dünne Rest dahinter wie der Schaft, und so glitt er dahin, bis sein Brustkorb über die winzigen spitzen Kiesel und die schartigen Venusmuscheln und die pulverisierten Seemuscheln am Uferstreifen schrammte und er aufsprang und gleich wieder zurück in die flache Brandung rannte, bis das Wasser ihm an die Knie reichte und tief genug war, dass er sich wieder hineinstürzen und wie wild den aufsteigenden Brechern entgegenschwimmen konnte - in den herandrängenden grünen Atlantik hinein, der so unaufhaltsam auf ihn zuwogte wie die unabweisbare Zukunft - und wenn er Glück hatte, kam er rechtzeitig an, um die nächste und die nächste und die nächste, bis der niedrige Stand der auf dem Wasser glitzernden Sonne ihm sagte, dass es Zeit zum Gehen war. Nass und salzig, lief er barfuß nach Hause, in Gedanken noch erfüllt von der Gewalt der unendlichen See, die in seinen eigenen Ohren gebraust hatte, und leckte an seinem Unterarm, um die vom Ozean erfrischte und von der Sonne verbrannte Haut zu schmecken. Das ekstatische Gefühl, einen ganzen Tag lang bis zur Betäubung von der See umhergeschleudert worden zu sein, der Geschmack und der Geruch, das alles berauschte ihn so sehr, dass nicht viel gefehlt hätte, und er hätte zugebissen, um ein Stück aus sich herauszureißen und seine fleischliche Existenz ganz und gar auszukosten.
So schnell er auf den Fersen laufen konnte, überquerte er die von der Sonne noch glühenden betonierten Gehsteige und ging, bei ihrer Pension angekommen, nach hinten zu der im Freien aufgestellten Dusche mit den glitschigen Sperrholzwänden, wo feuchter Sand aus seiner Badehose fiel, wenn er sie auszog und unter das kalte Wasser hielt, das ihm auf den Kopf prasselte. Die Macht der Brandung, das sengendheiße Pflaster, der eisige Schock der kalten Dusche, die Wonne der straffen neuen Muskeln, der schlanken Gliedmaßen und der stark gebräunten Haut, die nur die an seinem Unterleib versteckte blasse Narbe von der Leistenbruchoperation aufwies - in diesen Augusttagen, nachdem die deutschen U-Boote zerstört waren und man keine Angst mehr haben musste vor ertrunkenen Matrosen, gab es nichts, was nicht wundervoll klar war. Und nichts an seiner körperlichen Vollkommenheit, das ihm Anlass gab, es nicht als selbstverständlich zu betrachten."
coyote05 - 19. Aug, 10:04
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