Der Sturm ist ein apokalyptischer Reiter, dachte er, während er den Zucker im Kaffee verrührte und nach draußen sah. Die Menschen schienen sich daran gewöhnt zu haben, dass spätestens mittags dieser Wind aufzog und bis am Abend durch die Straßen peitschte. Anfangs flogen noch massenweise Servietten und Zeitungen durch die Luft, doch mittlerweile war man es gewohnt, alles festzuhalten, anzubinden und zu beschweren, was man aus den Händen legte. Man saß beisammen, man traf sich zwanglos, man zeigte sich wieder auf offener Straße und redete. Etwas lauter, etwas angestrengter, etwas gestenreicher als zuvor, aber durchaus entspannt.
Als wäre der Wind und der bevorstehende Untergang kein Thema mehr, notierte er auf dem Fetzen Papier, der wie wild um sich schlug und sich gegen das fest zu haltende stemmte. Dabei wünschte er sich, dieses Gesicht nochmals zu sehen, das ihn gerade aus seinen Gedanken gerissen und mit einem Lächeln überrascht hatte. Plötzlich war kein Getöse mehr und man glaubte sogar den Kuss zu hören, der sich wie zufällig in ihrem Nacken verfing. Alle hielten den Atem an. Nichts passierte. Ein, zwei Ewigkeiten lang.
Bis ein Windstoß einen Stuhl durchs Fenster warf, der mit metallischem Krach einschlug, gleich neben ihm, ein Besucher an der Bar, wo die Gläser wie Dominosteine fielen, ging im Durcheinander zu Boden. Als er aufsah, war von ihr nichts zu sehen. Alles, wie immer, dachte er. Nur der Zettel war verloren.
coyote05 - 7. Jul, 18:41