Was man von einer Hose wollen soll ...
schreibt Klaus Nüchtern im letzten Falter und weil dem nichts oder bloß marginales hinzuzufügen, aber auch kaum etwas wegzulassen ist, zitiere ich ausnahmsweise den kompletten Text:
Mein Interesse an Mode ist eine für eine männliche Hete wahrscheinlich überdurchschnittlich hoch, zugleich ist mien Verhältnis zu diesen Dingen von einer nachgerade bäuerlichen Schlichtheit. Eine Hose etwa halte ich zunächst einmal für ein Stück Stoff, das seinen Träger von meteorologischen Übergriffen und indezenten Blicken schützt, anatomische Mängel verdeckt und morphologische Vorzüge zart herausstreicht. Darüber hinaus verhindert es, dass man in die Herrenhandtaschenfalle tappt, nur weil man nicht weiß, wo man Brieftasche, Taschentuch und Wohnungsschlüssel hintun soll. Es gibt einige Grundanforderungen an Beinkleider, die ich in jedem Falle erfüllt sehen möchte: So sollen Sie etwa bei Regen ihr Gewicht nicht verzehnfachen, sich bei Sonneneinstrahlung nicht selbst entzünden, beim Ausziehen keinen elektrischen Funkenflug verursachen und im Genitalbereich eher an das zarte Vorbeistreifen von Frühlings- oder Eigenwinden erinnern als an Schmiergelpapier mit Secherkörnung. Sobald eine Hose mehr in Richtung Statement als in Richtung Stoff geht, werde ich skeptisch. Diskurstanztheater zum Anziehen, das muss nicht sein. Natürlich sind die Boutiquen, vor allem Modezeitschriften trotzdem voll mit Statementware. Ihre Haupteigenschaft besteht darin, dass man absolut lächerlich aussieht, sobald man sie abseits des Laufstegs trägt. Ja, eigentlich sieht der Fummel schon auf dem Laufsteg lächerlich aus, aber meist lenkt eine bloßgelegte Männerbrust oder die auffällige Magersucht der Models von dieser Erkenntnis ab. Außerdem herrscht, so will mir scheinen, ein fragwürdiges Einverständnis unter den fashonistas, dass das alles eine unglaublich wichtige und ernstzunehmende Angelegenheit sei und man sich praktisch wegräumen müsse, weil Tom Ford nicht mehr bei Gucci ist, sondern wieder in Autos macht. Wichtig sind aber ganz andere Sachen: ob man genug Essen und Liebe kriegt, ob man gesund ist und eine gescheite Arfbeit hat, ob die Kinder gedeihen und eine anständige Bildung kriegen (dann setzen sie auch keine blöden Baseballkappen auf). In einem Nachruf auf Ives Saint Laurent las ich neulich, er habe die Gesellschaft revolutioniert. Ich glaube das aber nicht. Menschen, die so was tun, nennt man Revolutionäre oder Wissenschaftler oder Techniker. Vermutlich hat YSL nicht einmal die Hose revolutioniert, und vermutlich ist das auch gut so. "Revolution", möchte ich ausrufen, "Hände weg von der Hose!"
Mein Interesse an Mode ist eine für eine männliche Hete wahrscheinlich überdurchschnittlich hoch, zugleich ist mien Verhältnis zu diesen Dingen von einer nachgerade bäuerlichen Schlichtheit. Eine Hose etwa halte ich zunächst einmal für ein Stück Stoff, das seinen Träger von meteorologischen Übergriffen und indezenten Blicken schützt, anatomische Mängel verdeckt und morphologische Vorzüge zart herausstreicht. Darüber hinaus verhindert es, dass man in die Herrenhandtaschenfalle tappt, nur weil man nicht weiß, wo man Brieftasche, Taschentuch und Wohnungsschlüssel hintun soll. Es gibt einige Grundanforderungen an Beinkleider, die ich in jedem Falle erfüllt sehen möchte: So sollen Sie etwa bei Regen ihr Gewicht nicht verzehnfachen, sich bei Sonneneinstrahlung nicht selbst entzünden, beim Ausziehen keinen elektrischen Funkenflug verursachen und im Genitalbereich eher an das zarte Vorbeistreifen von Frühlings- oder Eigenwinden erinnern als an Schmiergelpapier mit Secherkörnung. Sobald eine Hose mehr in Richtung Statement als in Richtung Stoff geht, werde ich skeptisch. Diskurstanztheater zum Anziehen, das muss nicht sein. Natürlich sind die Boutiquen, vor allem Modezeitschriften trotzdem voll mit Statementware. Ihre Haupteigenschaft besteht darin, dass man absolut lächerlich aussieht, sobald man sie abseits des Laufstegs trägt. Ja, eigentlich sieht der Fummel schon auf dem Laufsteg lächerlich aus, aber meist lenkt eine bloßgelegte Männerbrust oder die auffällige Magersucht der Models von dieser Erkenntnis ab. Außerdem herrscht, so will mir scheinen, ein fragwürdiges Einverständnis unter den fashonistas, dass das alles eine unglaublich wichtige und ernstzunehmende Angelegenheit sei und man sich praktisch wegräumen müsse, weil Tom Ford nicht mehr bei Gucci ist, sondern wieder in Autos macht. Wichtig sind aber ganz andere Sachen: ob man genug Essen und Liebe kriegt, ob man gesund ist und eine gescheite Arfbeit hat, ob die Kinder gedeihen und eine anständige Bildung kriegen (dann setzen sie auch keine blöden Baseballkappen auf). In einem Nachruf auf Ives Saint Laurent las ich neulich, er habe die Gesellschaft revolutioniert. Ich glaube das aber nicht. Menschen, die so was tun, nennt man Revolutionäre oder Wissenschaftler oder Techniker. Vermutlich hat YSL nicht einmal die Hose revolutioniert, und vermutlich ist das auch gut so. "Revolution", möchte ich ausrufen, "Hände weg von der Hose!"
coyote05 - 16. Jun, 17:27