Die Möglichkeit einer Insel
Eigentlich sind mir Buchkritiken verhasst, aber dies hier muss sein. Und gleich vorneweg: Von den Elementarteilchen war ich begeistert. Danach hatte ich mich Houellebecq nur mehr über die Sekundärliteratur des Feuilletons genähert und wusste also, dass er seinen politisch nicht korrekten Weg weitergegangen war - mehr nicht. Es war also Zeit, ihm eine zweite Chance zu geben. Wer bin ich, der diesem Autor eine Chance gibt? Im Buchsupermarkt Thalia bestätigte diesen Zugang auch gleich eine Verkäuferin - das Buch sei gegen den Islam und gegen die Juden und überhaupt vollkommen unhaltbar. Ok, muss sein, dachte ich - und bekam auf das stark abgegriffene Schmökerbuch einen Rabatt von 25%. Ich hatte also schon so eine Vorahnung, dass es an die Wände fliegen könnte, und begann zu lesen.
Die ersten hundert Seiten gings, dann wurde es immer widerlicher, immer schwieriger - auch weil sich die Lektüre neben den inhaltlichen Wiederholungen und Banalitäten auch formal als einziges Desaster erwies. Nach dem ersten Gedicht, das Daniel an die Liebe schreibt, sollte man eigentlich das Buch zuschlagen. Alles andere ist ein öder Aufguss bereits bekannter Themen. Ein Dank an Gregor Dotzauer, vom Berliner Tagesspiegel, der meinen Unmut schon am 25.8.2005 in Worte fasste und Houellebecq den Tipp gab "Leitartikel zu schreiben, Manifeste an Türen zu nageln, oder, wenn es sein muss, eine Partei zu gründen. Aber er braucht nicht Romane zu schreiben, mit Figuren, die nur Hüllen von Meinungen sind. Er soll lieber gleich Essays verfassen, wie Houellebecq selbst es glänzend versteht. Deshalb kann man noch hundertmal sein widerspenstiges, sich Stilanstrengungen bewusst verschließendes Schreiben rühmen: Was das Literarische an seinen Büchern ausmacht, bleibt offen. Und was dessen Anschein erweckt, ist eine öde, unrhythmische, aus den Schlacken des 19. Jahrhunderts bestehende Beschreibungsprosa."
Interessant dazu auch Thomas Steinfeld in der Süddeutschen am 24.8.2005: "Die große Schwäche dieses Romans: er ist ein Lamento, ein einziges großes Dokument der Wehleidigkeit (...). Diesem Lamento ist der wüste Zorn gewichen, der Michel Houellebecqs frühe Romane auszeichnete, der Wille zum Skandal, der wütende Aufstand gegen die Normalität, das Korrekte und den radikalen Individualismus, der in der sexuellen Freizügigkeit den letzten Rest individueller Würde der freien Marktwirtschaft überantwortete. ... Rückblickend betrachtet, ist diese verzweifelte Wut Stück für Stück, Buch für Buch aus dem Werk von Michel Houellebecq verschwunden (...). Das Aufbegehren gegen eine gigantische, so politische wie soziale Zumutung ist fort, und damit die Dringlichkeit, das Fahrige, Disparate und doch unglaublich Insistierende, das (...) Ausdruck einer Gemeinsamkeit war zwischen dem, was er als Schicksal empfand, und dem, was diese Gesellschaft als ihr Los erkannte."
Wenn Houellebecq als Zeitkritiker ernst genommen werden will, braucht er ein paar radikale (und neue) Gedanken mehr und einige schlechte Witze weniger. Und noch etwas: Wer irgendetwas über den "Schmerz des Alterns" lesen will, dem empfehle ich die Lektüre von Philip Roth: Everyman - das ist Literatur!
Die ersten hundert Seiten gings, dann wurde es immer widerlicher, immer schwieriger - auch weil sich die Lektüre neben den inhaltlichen Wiederholungen und Banalitäten auch formal als einziges Desaster erwies. Nach dem ersten Gedicht, das Daniel an die Liebe schreibt, sollte man eigentlich das Buch zuschlagen. Alles andere ist ein öder Aufguss bereits bekannter Themen. Ein Dank an Gregor Dotzauer, vom Berliner Tagesspiegel, der meinen Unmut schon am 25.8.2005 in Worte fasste und Houellebecq den Tipp gab "Leitartikel zu schreiben, Manifeste an Türen zu nageln, oder, wenn es sein muss, eine Partei zu gründen. Aber er braucht nicht Romane zu schreiben, mit Figuren, die nur Hüllen von Meinungen sind. Er soll lieber gleich Essays verfassen, wie Houellebecq selbst es glänzend versteht. Deshalb kann man noch hundertmal sein widerspenstiges, sich Stilanstrengungen bewusst verschließendes Schreiben rühmen: Was das Literarische an seinen Büchern ausmacht, bleibt offen. Und was dessen Anschein erweckt, ist eine öde, unrhythmische, aus den Schlacken des 19. Jahrhunderts bestehende Beschreibungsprosa."
Interessant dazu auch Thomas Steinfeld in der Süddeutschen am 24.8.2005: "Die große Schwäche dieses Romans: er ist ein Lamento, ein einziges großes Dokument der Wehleidigkeit (...). Diesem Lamento ist der wüste Zorn gewichen, der Michel Houellebecqs frühe Romane auszeichnete, der Wille zum Skandal, der wütende Aufstand gegen die Normalität, das Korrekte und den radikalen Individualismus, der in der sexuellen Freizügigkeit den letzten Rest individueller Würde der freien Marktwirtschaft überantwortete. ... Rückblickend betrachtet, ist diese verzweifelte Wut Stück für Stück, Buch für Buch aus dem Werk von Michel Houellebecq verschwunden (...). Das Aufbegehren gegen eine gigantische, so politische wie soziale Zumutung ist fort, und damit die Dringlichkeit, das Fahrige, Disparate und doch unglaublich Insistierende, das (...) Ausdruck einer Gemeinsamkeit war zwischen dem, was er als Schicksal empfand, und dem, was diese Gesellschaft als ihr Los erkannte."
Wenn Houellebecq als Zeitkritiker ernst genommen werden will, braucht er ein paar radikale (und neue) Gedanken mehr und einige schlechte Witze weniger. Und noch etwas: Wer irgendetwas über den "Schmerz des Alterns" lesen will, dem empfehle ich die Lektüre von Philip Roth: Everyman - das ist Literatur!
coyote05 - 26. Nov, 12:17
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