Politics

Sonntag, 21. Mai 2006

Chavez in Wien

chavez12

Hugo Chavez, am 12. Mai 2006 in der Wiener Arena. 2006! Dass es so etwas im 21. Jhdt. noch gibt - einer der aufsteht und "das Ende des amerikanischen Imperiums" verkündet.
Ché wird wieder salonfähig. Aber wollen wir wirklich auch Fidel hofieren? Warum nicht auf ganz was Neues hoffen in Lateinamerika - nach all den Enttäuschungen der Geschichte. Können wir heute so tun, als wären wir nicht gewarnt. Als hätten wir bestimmte Erfahrungen nicht gemacht?

Ich träume von einer Renaissance der Revolte, aber nicht von einer neuen Revolution.

Samstag, 28. Januar 2006

Melde mich zurück ...

Sprachlos im ersten Augenblick und Deutsch im Mund wie einen Knödel. Kaltgeschrumpft im Alltag des Geschäfts. Gesichter, die wie Scheiben sind und lügen. Kleinkram, doch allertiefst im Sumpf vergraben. Wo seid ihr Freunde, Gleichgesinnte? Wer pflegt die Werte hinter dem Geschwätz? Mendoza - Wien. Ein Firmenname wird zur Existenzmetapher. Und macht mich stark. Was wichtig ist, sind Namensbojen im Meer der Eitelkeiten. Ein Ruck geht durch den alten Kontinent.

Evo Morales (Bolivien) hats geschafft. Und Europa will es nicht bemerken. Ist selbstvergessen in der eignen Nabelschau. Geschweige denn die USA, die sich im traurig nahen Osten die Hände schmutzig macht und nichts kapiert. Nach Hugo Chávez (Venezuela), Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien), Néstor Kirchner (Argentinien), Tabaré Vazquez (Uruquay) und Michelle Bachelet (Chile) erwacht ein ganzer Kontinent. Und es geht weiter. Ollanta Humala (Peru, Wahlen im April ) und Andrés Manuel López Obrador (Mexiko, Wahlen im Juni) könnten schon bald die nächsten sein.

Das alles sah ich aus meiner Hängematte in Lujan de Cujo, vorbeigezogen als Andenhorizont - kein Garten, wie ihn jeder kennt.

Sonntag, 27. November 2005

Paradigmenwechsel ?

Im "World Development Report 2006" der Weltbank wird darauf hingewiesen, dass sich strukturell verfestigte Ungleichheit einer Gesellschaft als Hemmnis für Wirtschaftswachstum erweist. Puff!

Bis vor kurzem waren ja noch "Freihandel und Deregulierung" die stumpf wiedergekäute Antwort des Kapitals, wenn es galt, Lösungen zu finden, um die Wirtschaften anzukurbeln (und Armut zu bekämpfen).

Sonntag, 20. November 2005

Integration durch Gewalt 2

Noch ein Interview mit André Glucksmann gelesen, diesmal von Andreas Puff-Trojan im vielgeschmähten Profil. In diesem werden im Vergleich zum ersten die Statements klarer und scheinen mehr zu sein, als nur provokativ - zum Teil besser, zum Teil einfach falsch!!!

Meine Hervorhebungen in KURSIV, meine Kritik in BOLD.

profil: Wer und was steckt Ihrer Meinung nach hinter den Ausschreitungen in den Vorstädten?

Glucksmann: Diese Brandstifter sind weder „alle Jugendlichen“ noch „die Jugend“ in den Banlieues. Es handelt sich um eine Minderheit, in deren Aktionen es durchaus etwas Neues gibt. Angezündete Autos kennt man aus der Vergangenheit. Aber jetzt stecken diese jungen Menschen Busse in Brand, die voll besetzt sind. In diesen Bussen saßen auch Kinder und alte Leute. Es gab beispielsweise eine behinderte Frau, die Brandwunden zweiten Grades davontrug und vom Buschauffeur gerade noch gerettet werden konnte. Man muss sehr genau hinsehen: Es handelt sich bei diesen Vorfällen keineswegs um eine islamistische Revolution. Denn sowohl diese Frau als auch der Busfahrer sind Muslime. Die Attentäter berücksichtigen also bei ihren Aktionen weder Hautfarbe noch kulturelle Zugehörigkeit. Es handelt sich bei den gegenwärtigen Ausschreitungen in Frankreich nicht um das Scheitern der Integrationsbemühungen. In Wahrheit war und ist die Integration erfolgreich. Die jugendlichen Täter sind nicht irgendwelche Araber. Ihre Eltern stammen aus arabischen Ländern, doch sie selbst sind französische Staatsbürger. Und in Wahrheit realisieren sie auf brutale Weise, was viele Franzosen denken – nämlich, dass die eigene Stärke, die Macht, ja die Wahrheit darin liege, etwas zerstören zu können und nicht etwas aufzubauen. Das ist eine ganz starke Ausdrucksform des Hasses, sogar der Grund allen Hasses – der Selbsthass. .... Ich definiere den Hass anders etwa als den deutschen Begriff der „Feindlichkeit“: Der Hass meint nicht einfach die Überlegenheit, die Verachtung, ja nicht einmal Unterdrückung und Versklavung. Nein, der Hass will die reale Beseitigung des anderen. Das meint etwa die Vernichtungslager. Der Hass steht im Blickfeld des Todes, während die „Feindlichkeit“ sich schlimmstenfalls in der Knechtschaft des anderen ausdrückt.

profil: Wo orten Sie nun diese tödliche Form des Hasses?

Glucksmann: In den Ideologien des NS-Staates, im Kommunismus, im radikalen Islamismus, bei Milosevic und seinem Serbentum, das eine Mischung aus nationalsozialistischer und kommunistischer Hasserfüllung war. Aber ich meine damit auch die orthodoxe Kirche und bestimmte Gangs. Hinter all diesen Ideologien steckt der Kern des Hasses, der die Auslöschung will.

profil: Sie schreiben, es gebe klare Verbindungen zwischen Antisemitismus, Frauenhass und dem sehr gegenwärtigen Antiamerikanismus. Ist das nicht ein wenig pauschal?

Glucksmann: Nein, es gibt da unverkennbare Verbindungen, der Hass kann von einem Aspekt zum anderen wechseln. Antisemitismus kann sich etwa in Antiamerikanismus verwandeln. Aber alle drei Aspekte haben noch etwas Wesentliches gemeinsam. Jean-Paul Sartre hat es hinsichtlich des Antisemitismus genau analysiert: Er erkannte, dass Antisemiten meist gar keine Juden kennen. Hitler kannte sie nicht, selbst Eichmann hatte nur wenig Ahnung vom Jüdischen. Der Hass auf die Juden bedarf keiner Kenntnis ihrer Existenz. Der Hass ist eben zuallererst ein Selbsthass. Wenn man Antisemit ist, so ist man das nicht, weil die Juden alle Frauen und alles Geld an sich gerissen hätten, sondern weil man selbst nicht alles Geld und alle wunderschönen Frauen besitzt! Man akzeptiert den eigenen Mangel, die eigene Endlichkeit des Wollens nicht. Man möchte Gott gleich sein und meint, die Juden würden einen daran hindern.

profil: Wie wirkt der Hass konkret?

Glucksmann: In Europa gibt es eine Mehrheit, die in gewisser Weise antiamerikanisch eingestellt ist. Man hat natürlich das Recht, Kritik an den USA zu üben. Es gibt sogar gute Gründe dafür. Es zeigt sich aber, dass die Menschen bei uns viel mehr gegen Bush sind als gegen Putin, obwohl der russische Präsident den schrecklichsten Krieg unserer Zeit führt: den Feldzug gegen die Tschetschenen, der einer Auslöschung jener Bevölkerung gleichkommt. Gegen diesen brutalen Krieg wird aber überhaupt nicht demonstriert, andererseits gibt es überall Großdemonstrationen gegen Bush und seine Irak-Politik. Das ist ein immenses Ungleichgewicht, das zeigt, dass man eigentlich nicht für den Frieden auf die Straße geht, sondern aus Gründen des Hasses auf Amerika.

Aber hier denkt er doch etwas zu kurz. Vorher macht er die Unterscheidung zwischen Hass und Feindlichkeit und jetzt nennt er das, was Leute gegen Amerika auf die Straße treibt, den Hass auf Amerika. Hey, Glucksi, wer will Amerikas Auslöschung????? Doch nicht die Leute, die auf der Straße demonstrieren, sondern eher die, die Flugzeuge plakativ in Wolkenkratzer jagen.

Wenn man für den Frieden demonstrieren wollte, müsste man es zumindest gegen beide Kriege tun. Der Antiamerikanismus ist vor allem in Westeuropa verbreitet. In Frankreich ist das ganz evident: Man hasst die USA, weil sie als Weltmacht Frankreich nicht erlauben, die Welt zu regieren, wie Frankreich das zu napoleonischen Zeiten zu tun glaubte. Es ist also Frankreich, das seine machtpolitische Endlichkeit nicht begreift. Sicher, die USA sind die einzig verbliebene Weltmacht, aber es ist Frankreich, das diese Macht erst in einen gottgleichen Zustand erhebt.

profil: Mit Russlands Politik scheint Europas Politik tatsächlich kaum Probleme zu haben. Auch zwischen Gerhard Schröder und Wladimir Putin hat sich eine Art Männerfreundschaft entwickelt.

Glucksmann: Wie kann ein Sozialdemokrat sagen, Putin denke und handle demokratisch – wo doch jeder weiß, wie der russische Präsident die öffentliche Meinung unterdrückt und die Medien kontrolliert? Putin versucht offensichtlich, die tschetschenische Bevölkerung auszulöschen, aber er unterdrückt auch die russische. Wie kann man akzeptieren, dass die Macht in Russland mehr und mehr von einer kleinen Gruppe von Putin-Getreuen ausgeübt wird? Wobei man festhalten muss, dass Russland immer noch eine Weltmacht darstellt, was Militär, Waffenarsenal oder Erdölvorkommen betrifft. Als Putin bei Schröders Geburtstag wie ein Zar aufgetreten ist, mit einer musizierenden Kosakentruppe, habe ich mich gefragt: In welcher Welt leben wir eigentlich? Was bedeutet denn diese Freundschaft? Ist Schröder blind? Oder ist er ein Kolonialist? Ich glaube, Letzteres ist der Fall. Es gibt da nämlich ein historisches Faktum. Der effizienteste Teil der zaristischen Administration im 19. Jahrhundert bestand aus den Deutschen und baltischen Baronen. Erleben wir also eine neue Form von illusionistischer Kolonialisation? Wenn deutsche Politiker nämlich glauben sollten, sie seien intelligenter als die Russen, so ist das eine gewaltige Fehleinschätzung, die der Situation zu Beginn des 20. Jahrhunderts ähnelt.

profil: Sie haben die „menschliche Bombe“, den Selbstmordattentäter, als das größte philosophische Problem unserer Epoche bezeichnet.

Glucksmann: Jeder Mensch erkennt heute an, dass der Atombombenabwurf auf Hiroshima keine einfache Kriegshandlung bedeutete, sondern einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte. Also ist das auch ein Problem der Philosophie. Ebenso widerspricht heute kaum jemand mehr der Feststellung, dass Auschwitz kein einfaches Gefangenenlager gewesen sei, sondern ein Markstein in der Geschichte menschlicher Barbarei. Das ist also auch eine philosophische Problemstellung. Sartre, der keineswegs einer religiösen Sekte angehörte, sprach vom „absoluten Bösen“. Er habe es kennen gelernt, durch die Realität der Konzentrationslager. Sartre benutzte mit dem „absoluten Bösen“ einen Begriff, den man aus der christlichen Religion kennt. Und er sagte weiter, dass nach Hiroshima die Menschheit folgende Wahl habe: Jeden Morgen sollten wir uns fragen, ob wir am Ende der Welt einfach teilnehmen wollen oder ob wir es abwehren können. Nach 1945 haben wir zwei Entdeckungen gemacht: dass es Menschen gibt, die dazu fähig sind, die Humanität zu vernichten – das ist Auschwitz –, und solche, die in der Lage sind, die Menschheit auszurotten – das ist Hiroshima.

profil: Heute stellt sich diese philosophische Problemstellung aber schon wieder anders.

Glucksmann: Ja, heute treffen beide Elemente aufeinander, Auschwitz und Hiroshima werden ineinander geblendet. Vor dem 11. September 2001 gab es neun Atommächte, kleinere und größere, die das schrittweise Ende der Menschheit auslösen konnten. Seit dem 11. September ist diese tödliche Kapazität in den Händen von, ja, sagen wir: jedermann. Wenn zwanzig Personen, die ein Kapital zur Verfügung haben, das dem Kaufpreis eines größeren Apartments in New York entspricht, nach einer Vorbereitungszeit von zwei Jahren fähig sind, zwei Türme in Manhattan einstürzen zu lassen, dann sind sie auch fähig, ein Atomkraftwerk anzugreifen und dabei einen Schaden anzurichten, der jenem von Hiroshima gleichen könnte. Und wenn so etwas 20 Leute hinkriegen, dann kann man sicher sein, dass es noch viele, viele andere gibt, die das ebenfalls bewerkstelligen können. Es gibt also viele mögliche Hiroshimas! Die Macht der atomaren Verwüstung ist nicht mehr begrenzt auf ein paar Atommächte. Nun zeigt der Angriff auf die Türme in Manhattan aber auch Folgendes: Man tötet beliebig viele Menschen, das ist der Wille des absoluten Tötens, wie wir ihn von Auschwitz her kennen.

Das hat nichts mit Ausschwitz zu tun. Die Systematik war eine ganz andere. Beides ist furchtbar, doch der Vergleich trägt einfach nichts zu einem tiefgreifenderen Verständnis bei.

Die Fähigkeit und der Wille zur Auslöschung sind das neue Problemfeld der Philosophie, weil sie bei gewissen Menschen eine gedankliche Einheit bilden. Diese Menschen sind keine Staaten, sie führen keine Kriege, sie verhandeln nicht, und es ist äußerst schwierig, sie zu kontrollieren. Es sind „lebende Bomben“, die nicht ausschließlich dem Lager der radikalen Islamisten angehören. Der Wille zur Auslöschung geht über diese Gruppe weit hinaus. Das ist absolut neu und bedarf einer philosophischen Bearbeitung, weil es gerade die Philosophie ist, die das mögliche Ende der Menschheit vor Augen hat.

Ist nicht das philosphische Problem der "lebenden Bomben" viel entschiedener die Verschmelzung von Selbtshass und Fremdhass als die hier für mich an den Haaren herbeigezogenen Verschmelzung von Ausschwitz und Hiroshima?

profil: Wie kann nun der Hass, den Sie beschreiben, im neutralen Österreich seine Wirkung zeigen?

Glucksmann: Mir ist die Neutralität Österreichs nicht völlig klar. Wie kann man einer mächtigen Gemeinschaft wie der Europäischen Union angehören, die sich alles andere als neutral verhält, und doch selbst Neutralität reklamieren? Verhält sich Österreich – etwa als Mitglied der Vereinten Nationen – „neutral“, wenn es um die Bekämpfung eines Genozids geht, der gerade auf dieser Welt verübt wird? Nein, wird man sagen. Aber erst unlängst gab es ja den Fall einer weltweiten „Neutralität“. Leider hat fast die ganze Weltgemeinschaft zum Genozid in Ruanda geschwiegen. Diese Art von Neutralität ist ein Verbrechen, ein Verbrechen der Gleichgültigkeit, ein Verbrechen der Willfährigkeit, ein Verbrechen der Komplizenschaft! Das Wort „Verbrechen der Gleichgültigkeit“ stammt von einem österreichischen Schriftsteller: Hermann Broch. Als er aus dem amerikanischen Exil 1945 nach Europa zurückkehrte, fragte man ihn, ob er jetzt alle Deutschen und alle Österreicher für Nazis halte. Broch verneinte heftig: Die Nazis und Faschisten seien eine Minderheit gewesen. Die Sünde Europas sei es vielmehr gewesen, die Nazis walten zu lassen, ohne rechtzeitig einzugreifen. Das ist Brochs „Verbrechen der Gleichgültigkeit“. Mir fällt hier das schöne Wort auf Deutsch ein: „wegschauen“.

Und wieder eine schöne Finte: Aus der Gleichgültigkeit wird Hass. Das ist das Unangenehme an all diesen neuen Büchern. Sie beginnen mit einer durchaus interessanten These und wenden Sie dann auf alles an, das Ihnen in den Weg kommt. Sozusagen die Globalisierung des Gedankens -- als wenn ein Gedanke erst dann gut ist, wenn er auf alles zutrifft. Blödsinn. Wie es dazu kommt? Weil man heutzutage alles mit einer schmissigen Headline versehen muss, und dann Gefahr läuft, aus Selbstverliebtheit von seiner eigenen Headline erschlagen zu werden. Dabei befindet sich Glucksmann in guter Gesellschaft - Sloterdijk, Burger, und wie sie alle heißen.

Mehr Marketiers Ihrer eigenen Gedankenwelt als Denker, die die Arbeit am Begriff ernst nehmen.


profil: Und aus der Gleichgültigkeit hat sich so etwas wie eine Globalisierung des Hasses ergeben?

Glucksmann: Die erste Form der Globalisierung begann mit dem Jahr 1914. Es ist die Globalisierung der Kriege, die den totalen Krieg, totalitäre Revolutionen und schließlich den Terrorismus nach sich gezogen haben. Der heutige Hass der international agierenden Terroristen zielt auf die Vernichtung von Menschen, egal, welcher sozialen oder kulturellen Zugehörigkeit. Die Globalisierung betrifft nicht in erster Linie die Wirtschaft oder die Politik, sondern die Handhabung von Waffen, von der Kalaschnikow bis zu nuklearen Bomben. Das ist der weltweite Hass, der sich als absoluter Wille zur Auslöschung manifestiert. Gegen diesen Hass müssen wir uns ab sofort zur Wehr setzen.


André Glucksmann: Hass. Die Rückkehr einer elementaren Gewalt. Aus dem Französischen von Bernd Wilczek und Ulla Varchmin. Nagel & Kimche, 286 S.,

Freitag, 11. November 2005

Integration durch Gewalt?

André Glucksmann, der französische Philosoph, vertritt diese These in einem aktuellen Interview in der Frankfurter Rundschau:. Interessant an diesem Zugang, dass damit die Gewalt - die bislang immer woanders war - nicht nur punktuell über terroristische Anschläge, sondern mit diesen Krawallen nun auch der Ausnahmezustand - wie er in Städten wie Bagdad seit Jahren gilt - als Alltagsphänomen in unsere Städte dringt. Globalisierungseffekte?

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Frage: Bedeutet das ein Ende der Integrationspolitik, ein Ende der laizistischen Moral, ein Ende des Prinzips der Gleichheit in der Schule und durch die Schule, nach dem Modell von Jules Ferry?

Ich glaube nicht, dass das das Ende der Integration ist. Im Gegenteil. Das sind jugendliche Franzosen. Gut, sie haben Eltern, die aus Schwarz- oder Nordafrika kommen, aber es sind junge Franzosen. Sie integrieren sich gerade dadurch, dass sie Autos anzünden, sogar dadurch, dass sie Menschen anzünden. Sie integrieren sich durch den Protest. Das ist ganz aktuell in Frankreich. Haben Sie gesehen, wie die korsische Fähre geentert wurde? Die Korsen führen Attentate durch, manchmal sind es die Bretonen oder die Basken. Es gibt eine typisch französische Integration durch die Negation. Alle, alle Parteien in Frankreich, die Unternehmer, die Arbeiter denken, dass man durch Gewalt etwas erreicht. Es gab Streiks, z.B. bei Moulinex, bei denen die Arbeiter damit drohten, die Fabrik in die Luft zu sprengen. Es gab Streiks in Chemiefabriken, bei denen damit gedroht wurde, Säure in die Flüsse der Region zu kippen. In Frankreich glauben viele, dass man Stärke beweist durch die Fähigkeit, einem andern Schaden zuzufügen. Ich glaube also ganz im Gegenteil, dass sich die Jugendlichen maghrebinischer Herkunft durch diese Art integrieren.

Frage: Das ist doch alles andere als Integration. Die Krawalle finden in sozialen Elendsvierteln statt, in denen 30 bis 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit herrschen. Die Schulen sind kaputt. Die Jugendlichen leben in Wohnghettos. Das sind Ghettos, die in den 60er 70er Jahren für die Rückkehrer aus den ehemaligen Kolonien eingerichtet worden sind, die für die Siedler und die Immigranten gebaut wurden. Die Explosion der Gewalt ist doch allemal sozial motiviert?

Nein. Das sind günstige Umstände, aber durch sie erklärt man nichts. Vor allem neigt man dazu, dadurch alles zu entschuldigen. Warum? Weil es Menschen gibt, die unter diesen ungünstigen Umständen leben, die nicht die Autos anzünden, die nicht die Menschen anzünden. Entweder erklärt man, dass die Mehrheit Unrecht hat. Oder man sagt: Die Mehrheit hat Recht, weil sie keine Autos anzündet. Aber man muss dann auch noch hinzufügen, dass die Mehrheit der Jugendlichen feige ist, wenn sie keine Autos anzünden. Das sagen zumindest diejenigen, die die Autos anzünden. Aber wenn das ein Soziologe sagt, scheint mir das zweifelhaft zu sein. Es ist etwas Besonderes an den Leuten, die Autos abfackeln und am Ende sogar Menschen zu töten bereit sind. Man muss das Besondere an ihnen analysieren - das Spezifische ist der Hass. Man muss die Besonderheit des Hasses erkennen und ihm seinen besonderen negativen Ruhm zuerkennen.

Donnerstag, 20. Oktober 2005

Kulturelle Vielfalt ...

Heute wurde nach jahrelangem Ringen bei der UNESCO ein Abkommen zur kulturellen Vielfalt unterzeichnet, - und zwar gegen die Stimmen der USA und Isreal. Eine durchaus als historisch einzustufende Leistung, weil damit dem Unwesen der entfesselten Marktwirtschaft aus regional-kultureller Perspektive zumindest prinzipiell ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Natrülich im Konjunktiv, weil dieses kullturelle Vetorecht gegen Marktgesetze durch bilateralen Druck der USA in der Praxis sehr einfach aufgehoben werden kann. Kein Konjunktiv!

Dass sich die USA mit Händen und Füßen dagegen wehrte, war klar. Aber warum auch Israel? Dieses Land ist wirklich dabei, auch noch die letzten historischen Vorschüsse zu verspielen. Widerwärtig, die Zusammenhänge.

Sonntag, 4. September 2005

Der Mercedesmittelpunkt ...

Zuhause fremd
Der Mercedesmittelpunkt

Dort, wo einst zwei Flüsse ihre Schattierungen behutsam und täglich neu ineinander gossen, liegt nun ein begehbarer Mercedesstern als Brücke darüber. Die Schildbürgerkrone jenem, dem einfiel, mit dem Inbegriff des deutschen Kapitals den geografischen Mittelpunkt Österreichs zu markieren. Und das noch dazu im Rahmen einer Landesaustellung mit dem Titel „Narren und Visionäre“.

Fragt man die Bewohner von Bad Aussee, wie sie zu ihrem neuen Wahrzeichen stehen, dann sind sie überraschend reserviert. Als spürten sie instinktiv, dass es hier im geschichtsträchtigen Kurparkeck, wo Kultur und Natur aufeinandertreffen, an Behutsamkeit sträflich mangelt. Es macht den Eindruck, dass dieses Logo-Ungetüm eher ein zementgewordener Stammtischwitz ist, als das Ergebnis einer demokratischen Entscheidungsfindung. Der Konsens, der hier erzielt wurde, passiert allein auf Überrumpelung. Und die Mehrheit ist nur deswegen ein schweigende, weil die panierten Wienerschnitzel für die Bustouristen schon in der Pfanne liegen.

Der Eigensinn der Ausseer ist weit über die lokalen Grenzen von Pötschen und Hinterberg hinaus bekannt. Der Ech und seine Nicht-Korrumpierbarkeit war lange Zeit ein mächtiges Korrektiv gegen jede Art der Vereinnahmung. Ist dieser Mythos nun mit dem Präsidenten der Deutschen Arbeitgeberverbände endgültig auf den „Hundt“ gekommen? Und das betonierte Logo ein zweiter Ehrenring, den ihm die Stadtgemeinde Bad Aussee verliehen hat? Ist politischer und kultureller Konsens nichts mehr wert, seit das Beispiel Stronach in Österreich Schule macht? An jeder Ecke ein reicher Onkel, vor dem jede Bedeutung kapituliert.

Doch vielleicht rühren wir hier an einem Grundproblem von Landesausstellungen, das darin besteht, dass hier für kurze Zeit überproportional viel Geld verfügbar ist. Also umgekehrt zu einem kulturellen Projekt man sich nicht mit einer Idee im Kopf auf die Suche nach Sponsoren macht, sondern hier davon ausgegangen wird, dass sich angesichts einer unverhältnismäßig hohen budgetären Zuwendung die Kreativität schon einstellen wird. Mitnichten. Ein Trugschluss des Kapitals oder derer, die sich seiner bemächtigen. Anstatt also den Vertrauensvorschuss ernst zu nehmen und einen Denkprozess der besten Köpfe zu initiieren, wird an jeder Diskursgabelung die lukrativste Abkürzung genommen – vom Narrenbier zum Narrendirndl. Merchandising als entfesselter Narrentanz an der Peripherie, die kein ideelles Zentrum besitzt. Die Visionäre bleiben auf der Strecke oder halten es mit Joseph Roth, der schon im alten Jahrtausend weitblickend festhielt, dass das Zentrum Österreichs nicht in den Alpen zu suchen ist.

Ich muss zugeben: Ich habe keiner Veranstaltung der Landesausstellung beigewohnt und kein Museum besucht und weiß, dass ich damit Wasser auf die Mühlen derer gieße, die zur Gegenattacke ausholen. Doch zum Teufel mit der journalistischen Sorgfaltspflicht. Was soll ich tun, wenn mir der Mercedesstern im Zentrum jede Lust auf gelungene Peripherien nimmt? Was soll ich tun, wenn ich von diesem begehbaren Brückenwitz auf das Wasser der Traun schaue, die sich nicht wehren kann und mir beinahe die Tränen kommen. Tränen der Trauer, Tränen der Wut. Wir leben von der Natur. Landschaft ist alles, was wir haben. Sie inspiriert und fängt uns auf. Was hier fehlt, ist Respekt. Nicht mehr, nicht weniger. Respekt vor der Landschaft und den Menschen, die sich mit dem Flecken verbunden fühlen und nicht bereit sind, ihren Kopf auf Knopfdruck auszuschalten.

Sie wollen einen Vergleich? Auf der anderen Seite des Dachsteins liegt die steirische Ramsau. Dort wird gerade an einem neuen „Skywalk“ gebastelt, der direkt von der Seilbahnbergstation eine verwegene Perspektive in die identitätsstiftenden Südwände ermöglichen soll. Warum nicht in Form eines überdimensionalen Billasackerls, das sich dreht? Natur wird zur Bühne, auf der sich findige Tourismusmanager selbst inszenieren und Denkmäler setzen. Dort geht es zumindest um den spektakulären Blick, doch welches Spektakel eröffnet sich uns durch die Brücke? Über eine gequält witzige Einbahnregelung lacht nur der, dem sie Sinnbild ist für den Weg, der hier eingeschlagen wurde.

Bleibt mir am Ende nur ein Bitte. Verwechseln Sie nicht den Skandal mit dem Umstand, dass ihn einer benennt, der noch dazu Ausseer ist. Wir haben ein Problem und das nicht irgendwo, sondern dort, wo unser Zentrum ist. Der Skandal ist diese Mercedesbrücke und das Schweigen, das ihre Realisierung möglich gemacht hat. Was uns jetzt bleibt, ist das Warten, dass diese Schande langsam zerfällt und in sich zusammenstürzt. Egal, wie lange das dauert, wir werden das nicht mehr erleben. Wir haben uns zum Gespött gemacht, auch der Generationen, die nach uns kommen.

Doch halt! Bleibt uns wirklich nur das Warten? Haben wir vielleicht doch die Möglichkeit einer Korrektur, dort, wo die Bedeutungen liegen? Schreit nicht die Brücke, die ja selbst zeichenhaft ist und Symbol, nach einer Überlagerung, nach einem zweiten Text? Sprayer aller Länder vereinigt euch! Und fahrt nach Bad Aussee.

Mittwoch, 31. August 2005

Schwerpunkt Arbeit ...

Im Brand Eins Magazin findet sich folgende poetische Einstimmung:

Noch zu erledigen

– Steuererklärung fertig machen
– Wäsche waschen
– Zigaretten holen
– mit dem Hund rausgehen
– Steuererklärung fertig machen!
– das Finanzamt vertrösten
– Wäsche aufhängen
– Steuererklärung wirklich fertig machen!!
– Wo ist der Hund?
– Wäsche bügeln

– Pause

– Steuererklärung fertig machen
– Mails checken
– den Hund füttern
– Steuererklärung fertig machen!
– mal gucken, was im Fernsehen kommt

Samstag, 27. August 2005

Parteibuchmythos ...

Gerhard Botz schreibt im SPECTRUM der Presse vom 27. August 2005 über seinen Vater und beginnt so: Ich habe meinen Vater nicht gekannt. Der Gerhard Botz, der gegen Waldheim und Peter an-geschrieben hat. Der Historiker Botz nimmt im Alter von 62 Jahren das "Gespräch" mit seinem Vater auf, der, als er 2 jährig, Ende November 1944 gefallen ist. Und versucht dessen Geschichte, "mit den Mitteln (seines) eigenen Fachs und aus der Perspektive einer Ego-Historie zu (re-)konstruieren."

Bemerkenswert darin folgende Feststellungen: "Die NSDAP verstand sich als eine Elite, der nicht mehr als ein Zehntel aller "Volksgenossen" angehören sollten, auch dann, als in den Gauen der "Ostmark" diese Schwelle durch den schier unbändigen Drang vieler Österreicher und Österreicherinnen, in die Monopolpartei zu kommen, ins Wanken zu geraten drohte... Mein Vater zählte zu den 1943 insgesamt fast 700.000 österreichischen Nationalsozialisten ...Was sich in Marzabotto am 29. September 1944 abgespeilt hatte, ist kein Einzelfall. Ganz ähnliche Massaker unter der Zivilbevölkerung spielten sich 1943/44 im französischen Oradour, im griechischen Kalavrita und auf dem ganzen Balkan zu Dutzenden ab, hier begangen nicht nur von der SS, sondern auch von der regulären Wehrmacht und oft von solchen Einheiten, die mehrheitlich aus Österreichern bestanden ..."

Wie war das doch gleich mit dem Parteibuch damals?

Dienstag, 9. August 2005

Das Ende der Globalisierung ...

John Ralston Saul schreibt in seinem Vorwort zur Publikation Globalization Insights: "Was die Globalisierung betrifft, so ist sie vermutlich die erste Großtheorie der Geschichte, die steif und fest behauptet, dass eine Zivilisation nur im Licht der Ökonomie funktionieren kann." Gegen die Verblendung des Unausweichlichen stellt Saul Geschichten aus dem Leben wirklicher Menschen. Sie zeigen uns, dass es auch anders geht.

"Heute, nach 35 Jahren zweifelhafter Resultate, lassen großte Teile der Welt diese globale Wirtschaftstheorie einfach links liegen." Beispiele aus allen Teilen der Welt belegen es: Malaysia machte es 1997 vor durch sein erfolgreiches Krisenmanagement, als es den Wechselkurs der Währung festsetzte, den Export ausländischen Kapitals blockierte und die Einfuhrzölle erhöhte. Heute folgen Länder wie Argentinien und Brasilien, die sich zum Teil aus dem Globalisierungsexperiment zurückziehen. Auch China spielt nur mit den ach so unantastbaren Gesetzen des globalen Markts (Textilexporte).

Ist es nicht wie in einem Spiel, bei dem die Spieler ganz unterschiedliche Ausgangspositionen haben. Die einen haben nur eine Figur, die anderen das Brett voll und bestehen noch dazu darauf, dass sich alle an die Regeln halten, die sie aufgestellt haben?

Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Globalization Insights, Mai 2005
Jeremy Rifkin: Der Europäische Traum, Campus 2004
John Raston Saul: The Collaps of Globalism, Viking , Canada 2005

Siniweler - Ohne Tal

Kein Ort zum Verweilen, nirgends. Wohin uns die Reise führt? Geradewegs lotrecht zu allem, was das Herz schneller schlagen lässt.

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